Die Fibrothelium GmbH in Aachen ist ein Technologie-Start-up der RWTH Aachen. 2017 gegründet, hat es ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus natürlicher Seide ein wichtiger Hauptbestandteil gewinnen lässt, aus dem das Unternehmen dann Produkte entwickelt, die als natürlich abbaubare Implantate im Körper des Menschen vorübergehend zum Einsatz kommen.
Erfolgsgeschichten aus NRW
Fibrothelium GmbH – Eine neue Aufgabe für die Seidenraupe
Die Herausforderung
Bei Seide denken die meisten Menschen an Kleidungsstücke. Christoph Ptock und Dr. Alexander Kopp finden Seide extrem interessant, haben aber etwas ganz anderes im Sinn. Der Materialwissenschaftler und der Maschinenbau-Ingenieur kennen sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit an einem Gymnasium in Brühl. Nach dem Abi studierten sie gemeinsam an der RWTH Aachen und gründeten dort 2010 ihr erstes Unternehmen: Mit der Meotec GmbH entwickeln und produzieren sie resorbierbare Magnesiumimplantate. Sie kommen etwa bei einer Knochenfraktur zum Einsatz und sorgen im Körper dafür, dass die gebrochenen Knochenteile wieder zusammenwachsen. Der Clou: Das Implantat löst sich nach 18 bis 24 Monaten auf, eine Folge-OP für die Entfernung des Implantats kann also entfallen.
2017 gründeten sie gemeinsam mit einem weiteren Doktoranden der RWTH Aachen unter dem Namen Fibrothelium GmbH ein zweites Unternehmen. Der Fokus der Gründer diesmal: Seide. Auch hier geht es ihnen um zuverlässige, nachhaltige Implantate, die sich auflösen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Geht es bei Meotec um das Hartgewebe des Körpers, also Knochen, widmet sich Fibrothelium dem Weichgewebe.
Christoph Ptock,
CEO
“Seide ist von der Natur perfektioniert und besitzt faszinierende Eigenschaften”
Die Innovation
Was Fibrothelium mit der Modebranche gemeinsam hat: Genau wie diese kauft das Aachener Start-up als Ausgangsmaterial die Seidenkokons des sogenannten Maulbeerspinners ein. Durch einen Exklusivvertrag mit Schweizer Farmen gelangen die Kokons zunächst nach Aachen und werden dann zerhäckselt und gekocht, sprich: Der Seidenfaden wird in seine Hauptbestandteile zerlegt, nämlich Fibroin und Sericin. Erst danach kommt die geheime Zutat in einem Prozess dazu, in dem das Protein Fibroin der Seide in eine vielfältig nutzbare Seidenlösung auf Wasserbasis verwandelt wird. Das Verfahren haben Ptock und Kopp mit ihrem Team selbst entwickelt und schützen lassen. Aus dem flüssigen Seidenfibroin entstehen dann die unterschiedlichsten Produkte für medizinische Anwendungen.
Weshalb Seide? „Seide ist von der Natur perfektioniert und besitzt faszinierende Eigenschaften“, erklärt Ptock, „sie ist hochstabil, federleicht, atmungsaktiv und biologisch abbaubar.“ Das Biomaterial Fibroin bildet im Körper an der betroffenen Stelle eine Gerüststruktur, die die Bildung von Weichgewebe fördert. Einsatzfelder sind unter anderem die Zahnmedizin und die Dermatologie. Durch Stoffwechselprozesse können die Implantate im Körper abgebaut werden, während neu gewonnenes Gewebe die Funktion des schwindenden Implantats übernimmt. Ein Anwendungsbeispiel: Der Kiefer. Fibrothelium produziert aus dem Fibroin unter anderem spezielle Membranen, die bei einem kieferchirurgischen Eingriff als natürliche Abgrenzung vom aufgebauten Knochen hin zum Weichgewebe des Zahnfleischs dient. So kann sich das neue Knochengewebe in Ruhe bilden und schließlich mit ausreichend Raum zur Verankerung ein Zahnimplantat eingesetzt werden.
Auch für das Sericin – eigentlich ein Abfallprodukt bei der Gewinnung des Fibroins – hat Fibrothelium eine Verwendung: Es spielt zunehmend eine Rolle als natürlicher Inhaltsstoff bei Kosmetikprodukten, wie Crèmes. „Wir verkaufen das flüssige Sericin deshalb an Kosmetikhersteller und vermeiden dadurch Ressourcenverschwendung“, betont Kopp.
Der NRW-Effekt
Der Weg von der Idee über die Entwicklung bis zum Verkauf des fertigen Produkts ist lang, was unter anderem an der aufwendigen Zertifizierung von Medizinprodukten liegt. „Man muss mit drei bis fünf Jahren Vorlauf rechnen“, erläutert Ptock, „der Return on Invest erfolgt spät.“ In dieser Zeit kann viel schieflaufen, deshalb seien Investor:innen sehr sensibel in diesem Segment. „Zum Glück konnten wir hier am Standort NRW Fördergelder akquirieren“, sagt Kopp. Unter anderem nahm das Unternehmen erfolgreich an einem EFRE-Leitmarktwettbewerb des NRW-Wirtschaftsministeriums teil. „Das war extrem wichtig für uns, damit wir unsere Entwicklungen vorantreiben konnten“, ergänzt Ptock. Zudem stellte das kleine Unternehmen, das zum Jahresanfang 2023 bereits sieben Beschäftigte zählte, seine Technologiebasis für Entwicklungspartnerschaften mit anderen Unternehmen zur Verfügung und konnte so noch vor der Zertifizierung des ersten eigenen Produkts Umsätze erzielen. Den Standort NRW schätzen Ptock und Kopp aber nicht nur wegen der guten Förderstruktur. Fibrothelium unterhält sehr enge Kooperationen mit der RWTH Aachen, der FH Aachen, der Uniklinik Aachen und dem Forschungszentrum Jülich. „Die enorme Dichte an hochklassigen Kliniken und Forschungseinrichtungen, die wir hier in NRW haben, spielt für uns eine sehr große Rolle“, lobt Ptock. Für das erste Produkt von Fibrothelium liegt bereits eine Zulassung für den europäischen Markt vor. Weitere Produkte sind aber schon längst in der Entwicklung und sollen bald auf den Markt kommen.
Diese Erfolgsgeschichte einer innovativen Transformation wurde im Februar 2023 veröffentlicht. Es finden im Anschluss keine Aktualisierungen bzw. Prüfungen der Angaben statt.
Christoph Ptock,
CEO
“Zum Glück konnten wir hier am Standort NRW Fördergelder akquirieren. Das war extrem wichtig für uns, damit wir unsere Entwicklungen vorantreiben konnten.”
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